Ein aktuelles Forschungsprojekt weckt die Hoffnung, der Schweizer Untergrund könnte sich als Speicher für erneuerbares Gas nutzen lassen. Hierbei kommt ein Verfahren zum Einsatz, bei dem Mikroorganismen erneuerbaren Wasserstoff und Kohlendioxid in Methan – den Hauptbestandteil von Erdgas – verwandeln. Forschende der Universität Bern haben im Schweizer Mittelland poröse Gesteinsformationen ausfindig gemacht, die für die sogenannte Geo-Methanisierung in Frage kommen.
Power-to-Gas-Technologien machen es möglich, Strom in Gas umzuwandeln. Oft wird hierfür ein Elektrolyseur genutzt, der Wasser unter Zufuhr von Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. Wird der Elektrolyseur mit Strom aus erneuerbarer Quelle (z.B. Photovoltaik) betrieben, entsteht erneuerbarer Wasserstoff. Wasserstoff kann energetisch genutzt werden. Alternativ lässt er sich durch Zugabe von Kohlendioxid (CO2) in den Energieträger Methan umwandeln (‹methanisieren›). Für die Methanisierung braucht es idealerweise vier Teile Wasserstoff und einen Teil CO2. Letzteres fällt unter anderem bei Industrieprozessen an. Dieses Treibhausgas, das gemeinhin in die Atmosphäre abgegeben wird, bietet sich an, um zusammen mit erneuerbarem Wasserstoff erneuerbares Methan herzustellen.
Erneuerbares Methan ist CO2-neutral, denn es setzt bei der Verbrennung genau soviel CO2 frei, wie bei seiner Herstellung verwendet wurde. Methan-Gas hat zudem den Vorteil, dass es gut lagerbar ist. Es kann genutzt werden, um elektrischen Strom, der in den Sommermonaten keine Abnehmer findet, so lange zu speichern, bis Energie in den verbrauchsstarken Wintermonaten benötigt wird (in Form von Gas oder rückverwandelt in Strom). Power-to-Gas-Technologien könnten daher eine wichtige Rolle bei der künftigen Versorgung der Schweiz mit erneuerbarer Energie spielen.
Mikroorganismen produzieren Methan
Methan lässt sich in Tanks, Kavernen oder Gasleitungen speichern, allerdings nur in begrenzten Mengen. Eine weitere Speichermöglichkeit bieten poröse Gesteinsformationen, aus denen früher Erdgas gefördert wurde. Ausgeförderte Erdgaslagerstätten werden weltweit zur grossvolumigen und langzeitigen Speicherung von Erdgas eingesetzt, beispielsweise vom österreichischen Gasspeicherunternehmen RAG Austria AG. Dieses Unternehmen machte nun vor rund zehn Jahren eine bemerkenswerte Entdeckung: Werden unter geeigneten Bedingungen Wasserstoff und CO2 in den Untergrund gebracht, sorgen dort natürlich vorkommende Mikroorganismen (Archaeen) für die Methanisierung des Wasserstoffs, also dessen Umwandlung in Methan. Dieses Methan kann anschliessend dem Untergrundspeicher entnommen und wie herkömmliches Erdgas genutzt werden.
Die RAG Austria AG hat dieses Verfahren – Fachleute sprechen von Geo-Methanisierung – von 2013 bis 2020 in zwei Projekten erforscht, an einer Pilotanlage in Pilsbach (zwischen Salzburg und Linz) ausprobiert und schliesslich patentiert. Bei den Feldversuchen wurden einem mit Erdgas gefüllten Speicher bis zu 10 Volumenprozent Wasserstoff und 2,5 Volumenprozent CO2 beigegeben: Die Mikroorganismen verwandelten die beiden Gase binnen weniger Wochen in Methan, wobei Umwandlungsraten von 10 bis 90 % beobachtet wurden. Fazit der Studienautoren: «Auch wenn Wasserstoff und CO2 nicht vollständig umgewandelt wurden, haben wir eine hohe Evidenz, dass Geo-Methanisierung eine echte Option für einen geschlossenen Kohlenstoffzyklus in einem künftigen Energiesystem sein könnte.» ‹Geschlossener Kohlenstoffkreislauf› bedeutet, dass das CO2, das bei Verbrennungsprozessen entsteht, für die Herstellung von erneuerbarem Gas wiederverwendet wird.
Breite Forschungspartnerschaft
In der Schweiz ist der Gas- und Energieversorger Energie 360° (Zürich) auf die interessanten österreichischen Forschungsergebnisse aufmerksam geworden. Er initiierte 2020 gemeinsam mit der RAG Austria AG ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt, an dem von Schweizer Seite die Universität Bern, die Ostschweizer Fachhochschule und die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) beteiligt sind. Das BFE unterstützt das Projekt finanziell im Rahmen des ERA-Net Smart Energy Systems.
Ein Forschungsteam der Universität Bern ging der Frage nach, ob es im Schweizer Untergrund geologische Formationen gibt, die für die Geo-Methanisierung in Frage kommen. Leiter des Teilprojekts ist Larryn W. Diamond, Professor für Geochemie und Petrologie am Institut für Geologie. Auch wenn die Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind, kommt er zu einer positiven Einschätzung: «Unsere bisherigen Abklärungen lassen darauf schliessen, dass geeignete Speichergesteine für die Geo-Methanisierung in der Schweiz vorhanden sein dürften. Dies am Jurasüdfuss in Raum Genf und im Bereich Solothurn-Olten-Baden-Schaffhausen. Eine weitere potenziell geeignete Gesteinsformation zieht sich von Bodensee über Zürcher- und Zugersee bis nach Bern», so Diamond.
Die Forscher können noch nicht sagen, wo genau ein Porenspeicher für die Geo-Methanisierung errichtet werden könnte. Aber in den erwähnten Regionen finden sich Gesteinsformationen, die die Hauptkriterien für einen solchen Speicher erfüllen: Das Gestein ist erstens porös, es kann 20 und mehr Volumenprozent Gas aufnehmen. Solche Sand-, Kalk- und Dolomitgesteine findet man im Untergrund des Schweizer Mittellandes. Zweitens sind diese porösen Gesteinsformationen nach oben von einer undurchlässigen Deckschicht verschlossen, was verhindert, dass das Gas entweichen kann. Hierfür geeignet sind Tongesteine (z.B. Opalinuston) oder Salzlagen. Und drittens bieten die Gesteinsschichten Mikroorganismen gute Existenzbedingungen, was bei 30 bis 60 °C der Fall ist. Solche Temperaturen herrschen unter der Oberfläche bis in eine Tiefe von 1600 Metern.
Schweiz braucht eigene Lösung
Die bisherigen Forschungsergebnisse lassen darauf schliessen, dass in der Schweiz die geologischen Bedingungen für die Geo-Methaniserung gegeben sind. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bern wollen ihre Standortvorschläge weiter verfeinern. In einem nächsten Schritt könnte dann mit geophysikalischen Untersuchungen nach Gesteinsformationen in der erforderlichen Grösse Ausschau gehalten werden, gefolgt von Bohrungen zur Erkundung konkreter Porenspeicher-Standorte.
Schon heute steht fest, dass das Konzept der Geo-Methanisierung in der Schweiz in angepasster Form umgesetzt werden muss: Anders als Österreich verfügt die Schweiz nämlich über keine ausgeförderten Erdgaslagerstätten, die sich für die Geo-Methanisierung direkt nutzen liessen. Stattdessen würde man in der Schweiz auf saline Aquifere zurückgreifen, also poröse Gesteine, die mit Salzwasser gefüllt sind. Wenn man hier Gase einlagern will, muss man zuvor das Salzwasser wegpressen. «Das bedeutet einen Zusatzaufwand und birgt das Risiko von spürbaren Erdbeben, was sorgfältig abgeklärt werden muss», sagt Geologe Diamond.
Grosser Forschungsbedarf
Die Geo-Methanisierung ist heute noch Grundlagenforschung. Ob ein Porenspeicher für Wasserstoff und CO2 im Schweizer Untergrund technisch realisierbar ist und wie ein energetisch sowie wirtschaftlich schlüssiges Geschäftsmodell aussehen würde, ist im Moment noch offen. «Der Ansatz und die bisherigen Ergebnisse sind jedoch so vielversprechend, dass wir hier weiterforschen müssen», sagt Andreas Kunz, Verantwortlicher für Energieanlagen bei Energie 360°, der das Forschungsprojekt in der Schweiz leitet. Porenspeicher versprechen nicht nur grosse Speicherkapazitäten, sie haben nach heutigem Wissen auch den Vorzug, dass Wasserstoff (H2) und CO2 nicht in einem fixen Verhältnis (4 Teile H2 und ein Teil CO2) zugeführt werden müssen. Die Speicher könnten somit dauerhaft mit CO2 befüllt werden, aber nur in den Sommermonaten mit Wasserstoff, wenn überschüssiger Strom für dessen Produktion verfügbar ist. Daniel Sidler, der das Projekt für Energie 360° mit den Forschungspartnern koordiniert, verweist auf das grosse Potenzial der Technologie für die Schweiz: «Szenarienrechnungen der inländischen Energieproduktion durch die Empa im Rahmen des Forschungsprojekts zeigen, dass wir mit der Geo-Methanisierung im Jahr 2050 theoretisch den Gasbedarf der Schweiz vollständig oder bis zur Hälfte der Winterstromlücke der Schweiz decken könnten.»